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Artikel zur Praxis

"Tue nichts" vs. "Es gibt nichts zu tun" - Der entscheidende Unterschied  // 24.02.23

Was unterscheidet die Aussage "Tue nichts!" eines Buddhas wie Milarepa von der Aussage "Es gibt nichts zu tun" der zahlreichen Neo-Advaita Lehrer unserer Zeit?

Milarepa verweist auf eine spezifische Praxis - nonduale Meditation -, um die wahre Natur des Geistes und die erleuchtete Freiheit zu erkennen. Diese Praxis besteht darin, eine ganz spezifische Form der mentalen Nichteinmischung zu entdecken und sich darin zu üben. Lassen wir unser Erleben auf diese Weise einfach geschehen, dann erkennen wir, dass die dualistische Struktur unseres ich-bezogenen Denkens gar nicht wirklich real ist. In anderen Worten: Wir erkennen den natürlichen Zustand unseres Geistes, der frei ist von allen Gegensätzen und aller Ichbezogenheit.

Es ist diese Praxis der Nichteinmischung, die schliesslich dazu führt, dass sich die Tendenz der dualistischen Ich-Fixierung komplett erschöpft und die Bewusstheit über den natürlichen Zustand des Geistes komplett stabil wird. Wenn das erreicht ist, haben wir vollständige Erleuchtung bzw. Buddhaschaft erreicht.

Die Aussage "Es gibt nichts zu tun", die man oft von modernen Nondualitäts- und Neo-Advaita Lehrern hört, hat allerdings nichts mit dieser Praxis der Nichteinmischung zu tun, die tatäschlich zur Erleuchtung führt. Die Aussage "Es gibt nichts zu tun" basiert auf der intellektuellen Vorstellung, dass die Essenz des Geistes ja bereits erleuchtet ist und man deshalb gar nichts tun kann, um erleuchtet zu werden. Weil das "ich" eine "Illusion" ist, so meinen sie, gibt es auch keine Befreiung vom "ich". Diese Lehrer meinen deshalb, dass sämtliche spirituelle Praxis - inklusive der oben beschriebenen Praxis der Buddhas - Zeitverschwendung ist, weil sie uns nur davon abhält, diese intellektuelle Erkenntnis früher zu machen. In anderen Worten: Nonduale Praxis hält uns davon ab, zu sehen, dass es keine Erleuchtung gibt.

Diese Denkweise ist eines der gravierendsten Missverständnisse, das wir über Erleuchtung und die nonduale Befreiung des Geistes haben können. Wenn wir uns darin verlieren, dann kann das dazu führen, dass wir das Interesse an Befreiung von uns und allen Wesen aufgeben, weil wir glauben, dass das gar nicht möglich ist. Es ist genau aus diesem Grund, dass alle Buddhas - also alle wirlich erleuchteten Menschen - zu jeder Zeit davor gewarnt haben, die höchste Erleuchtungspraxis der Nichteinmischung intellektuell misszuverstehen und eine blosse intellektuelle Ansicht daraus zu machen.

Eine naheliegede Option, dieses gravierende Missverständnis zu vermeiden, war es, die Lehre der höchsten Praxis nur im geheimen Rahmen zu lehren, um sicher zu stellen, dass nur Schüler darin eingeweiht werden, die reif dafür sind. Diese Geheimhaltung ist allerdings im Informtionszeitalter von heute nicht mehr möglich und sinnvoll. Deshalb ist es wichtig, dass Lehrer und Lehrerinnen des Dharmas immer wieder auf diesen entscheidenden Unterschied hinzuweisen.

Mögen alle Wesen frei sein.
Ugi

Die 3 grossen Fallen der nondualen Praxis // 30.01.23

Jede Praxis des nondualen Herzyogas führt durch die 3 Körper unseres Wesens hindurch: Form, Energie, Leerheit. Wenn wir ein Mantra singen, so fokussieren wir uns erst auf dessen akustische Form (Klang). Anschliessend fühlen wir die energetische bzw. formlose Atmosphäre des Mantras, die auf unseren Geist wirkt. Durch Hingabe an diese Energie entdecken wir schliesslich die Leerheit, welches die Essenz des Geistes und aller Erscheinungen ist. Nur durch Einsicht in die Leerheit befreien wir unseren Geist von der Tendenz der dualistischen Getäuschtheit.

Hierbei gibt es ein paar gängige Fallen, in die wir tappen können:

Die erste Falle besteht darin, auf der Form-Ebene der Praxis festzustecken. Wir rezitieren endlos Mantras oder machen Körperübungen, ohne jemals in die Energie bzw. das Formlose der Praxis einzutauchen. Die Praxis wird zu einer weiteren Beschäftigung ohne tiefere Einsicht.

Die zweite Falle besteht darin, auf der formlosen bzw. Energie-Ebene der Praxis festzustecken. Die gefühlte Atmosphäre eines Mantras oder eines Buddhas führt oft zu Gefühlszuständen von Glückseligkeit, Weite, Frieden oder Verbundenheit. In anderen Worten: es fühlt sich gut an. Schnell geschieht es hierbei, dass wir eine Anhaftung an diese Gefühlszustände entwickeln und denken, dass es sich bei diesen Zuständen um Buddha handelt. Die Praxis wird zu einer blossen Blaupause ohne befreiende Einsicht in die Natur der Dinge.

Die dritte Falle besteht darin, auf der Leerheits-Ebene der Praxis festzustecken. Wer die Leerheit einmal erkannt hat oder auch einfach glaubt, sie intellektuell zu verstehen, entwickelt leicht eine Anhaftung an Leerheit. Man denkt nun, dass es keine Praxis benötigt, dass Leiden und Erleuchtung Illusionen sind, und dass es kein Karma gibt. Ohne es zu bemerken, hat man eine nihilistische Weltanschauung angenommen, die nichts mit der nondualen Befreiung des Dharmas zu tun hat.

Es ist wichtig, diese Stolperfallen im Auge zu behalten, ohne sie zu fürchten. Furcht ist nicht nötig, denn es ist unausweichlich, dass wir auf dem Erleuchtungsweg phasenweise in diese Fallen hineintappen. Durch die Verbindung zu einem verwirklichten Lehrer und einem lebendigen Sangha bleibt man darin allerdings nicht lange stecken. Aus diesem Grund nimmt im nondualen Yoga der Buddhas das Verhältnis zu einem qualifizierten Lehrer eine elementare Rolle ein. Nicht aus dogmatischen, sondern aus pragmatischen Gründen.

Mögen alle Wesen frei sein.
Ugi

Mythos: "Alle sind bereits erleuchtet" // 26.01.23

Wenn wir wirklich sehen, dass unsere weltliche Realität nichts anderes als Buddha ist, dann können wir uns nicht mehr hinter Floskeln wie "alles und jeder ist bereits erleuchtet" oder "es gibt nichts zu tun" verstecken. Denn dann sehen wir, dass sich weder Samsara auf Nirvana noch Nirvana auf Samsara reduzieren lässt. Die ultimative Wirklichkeit von Buddha ist keine Reduktion einer Vielheit auf eine Einheit. Entsprechend irrtümlich ist die Schlussfolgerung, dass es keine Erleuchtung und kein Leiden gibt.

Die Erkenntnis der nondualen Wirklichkeit ist keine Erkenntnis davon, dass es etwas "gibt" oder "nicht gibt". Sondern das direkte Sehen, dass sich die Wirklichkeit nicht in Konzepte des "Seins" oder "Nichtseins" stecken lässt.

Aus diesem Grund sieht ein wahrhaftig erleuchteter Mensch nicht nur Licht und Liebe, wenn er in die Welt hinausblickt. Nein, er sieht beinahe grenzenloses Leiden, das aus nichts anderem entsteht als aus existentieller Verwirrtheit. Und gleichzeitig sieht er die bedingungslose Güte und Freiheit der Buddha Essenz durch alle Wesen, Dinge und Erscheinungen schimmern. Er sieht dabei nicht zwei Dinge, "Leid UND Freiheit", sondern sie erscheinen gleichzeitig. Deshalb empfindet ein Buddha auch gleichzeitig grenzenlosen Frieden und den brennenden Wunsch, alle Wesen vom Leid der dualistischen Getäuschtheit zu befreien.

Leerheit und Mitgefühl sind eine untrennbare Einheit.

Mögen alle Wesen frei sein.
Ugi

Umgang mit Ungewissheit auf dem Pfad // 08.01.23

Die Klärung des natürlichen Zustands ist ein delikater Prozess. Momente der wortlosen Gewissheit werden von wortreichen Zweifeln sofort wieder "vergessen" oder überdeckt. Sodass die wenigsten Praktizierenden sagen können, dass sie diese viel beschworene Gewissheit über die Natur des Geistes besitzen, die in vielen Büchern immer wieder als Bedingung für die nonduale Praxis bezeichnet wird. Oder als einziges Anzeichen dafür, dass eine "Pointing-Out Instruktion" erfolgreich war.

Das darf man nicht zu wörtlich nehmen. Der ganze Befreiungsprozess ist eine einzige Annäherung an die Gewissheit des natürlichen Zustands. Viel wichtiger als zu denken, dass man Gewissheit hat, ist das ständige Ausschau halten nach Gewissheit und das ständige Anerkennen von Ungewissheit. Das Erkennen und Erforschen unserer Ungewissheit IST der Weg des Dharmas. Indem wir immer wieder erkennen, dass wir eben noch keine Gewissheit haben, bleibt der Dharma-Funke in uns stark. Und führt uns direkt zur wahren Erkenntnis der Natur des Geistes. Diese vollständige Erkenntnis ist in der Tat gewiss. Aber ihre Gewissheit besteht in der Erkenntnis, dass es keine Ungewissheit mehr gibt. Die wir allerdings erst haben können, wenn wir alle Ungewissheit inspiziert haben.

Es kann tatsächlich fatal sein, zu denken, man habe Gewissheit über die Natur des Geistes. Es gibt immer wieder Praktizierende, die sich auf diese Weise im Stolz verlieren oder das brennende Interesse an der weiteren Praxis verlieren, weil sie DENKEN, dass sie "wissen, um was es geht". Als wäre die Erkenntnis der Natur des Geistes nur ein weiteres Wissen, das man sich anhäufen kann.

Die Ungewissheit schafft Demut. Demut ist die Bedingung für Hingabe. Hingabe ist die Bedingung für Befreiung von der Selbstbezogenheit.

Mögen alle Wesen frei sein.
Ugi